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Trans-Rechte: Berufung von Reichelt-Unternehmen erfolglos

In kurz:

  • Reichelt-Unternehmen bezeichnete Trans-Frau als „Mann“
  • Historisches Urteil: Landgericht nimmt Verletzung von Persönlichkeitsrecht an
  • Oberlandesgericht weist Berufung zurück

Hier die Entscheidung im Volltext - OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 15.02.2024 – 16 U 93/23

– Beglaubigte Abschrift –
Aktenzeichen:
16 U 93/23
─────────────────────
2-03 O 149/23

Landgericht Frankfurt am Main

Es wird gebeten, bei allen Eingaben das
vorstehende Aktenzeichen anzugeben
Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Beschluss

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren
1. Rome Medien GmbH, [geschwärzt]
Berlin
2. Judith Sevinc Basad, c/o Rome Medien GmbH, [geschwärzt]
- Verfügungsbeklagte und Berufungsklägerinnen -
Prozessbevollmächtigte zu 1. und 2.:
[geschwärzt]

gegen

Janka Kluge, [geschwärzt]
- Verfügungsklägerin und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte:
PRIGGE Recht, Kasernenstraße 23, 40213 Düsseldorf

hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main – 16. Zivilsenat – 
durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Bub, 
den Richter am Landgericht Kamprath und 
die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Thoma 

am 15.02.2024 beschlossen:

Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das Urteil der 
3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 06.07.2023 - 
Az. 2-03 O 149/23 - wird zurückgewiesen.

Die Verfügungsbeklagten haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu 
tragen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 8.000,00 EUR 
festgesetzt.

Gründe

I.
Die Parteien streiten um die Zulässigkeit der Bezeichnung der Verfügungsklägerin als „Mann“ in einem auf dem Onlineportal der Beklagten zu 1) am 03.02.2023 veröffentlichten Beitrag der Beklagten zu 2) mit dem 
Titel „Held*innen der Demokratie? So fördern wir mit unserem Steuergeld Frauenhass“.
Das Landgericht hat auf Antrag der Verfügungsklägerin vom 03.03.2023 
mit Beschluss vom 17.03.2023 es den Verfügungsbeklagten untersagt, die Verfügungsklägerin als „Mann“ zu bezeichnen, wenn dies geschieht wie in der Äußerung „Anstatt eine junge Doktorandin zu unterstützen, die seit Monaten attackiert, auf offener Straße verfolgt und sogar körperlich
angegriffen wird, unterstützt die Stiftung lieber einen über 
60-jährigen Mann, der an der Spitze eines Lobby-Vereins steht und 
maßgeblich an dem Frauenhass beteiligt ist, dem Vollbrecht seit
Monaten ausgesetzt ist.“ aus dem streitgegenständlichen Beitrag.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht die einstweilige 
Verfügung vom 17.03.2023 bestätigt.
Wegen der Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Hiergegen wenden sich die Verfügungsbeklagten mit ihrer Berufung. Sie 
machen geltend, dass der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung bereits wegen mangelnder Bestimmtheit unzulässig sei. Zudem sei das 
Landgericht rechtfehlerhaft davon ausgegangen, dass es sich bei der 
streitgegenständlichen Äußerung um eine Meinungsäußerung handele. 
Tatsächlich handele es sich um eine Tatsachenbehauptung, deren 
Veröffentlichung auch zulässig sei, weil sie wahr sei. Dabei sei das 
Landgericht fehlerhaft davon ausgegangen, dass die 
streitgegenständliche Äußerung untrennbarer Bestandteil einer 
Meinungsäußerung sei.
Vielmehr sei die streitgegenständliche Bezeichnung als „Mann“ in dem 
streitgegenständlichen Satz von der weiteren Äußerung zu der Stiftung
zu trennen. Der Satz enthalte zwei unabhängige Aussagen, einmal die 
Kritik an der Finanzierung eines Rechtsstreits zwischen der Biologin
Vollbrecht und der Klägerin auf deren Seite und andererseits die 
Feststellung, dass es sich bei der Klägerin um einen biologischen Mann handele. Zudem habe das Landgericht zu Unrecht nur auf den einen Satz 
als Kontext abgestellt und nicht den weiteren Gesamtkontext in dem
Beitrag berücksichtigt. Aus diesem gehe hervor, dass es sich bei der 
Bezeichnung als „Mann“ um nur eine Beschreibung des biologischen 
Geschlechts der Verfügungsklägerin handele. Im Hinblick auf das 
biologische Geschlecht der Klägerin sei diese Tatsachenbehauptung wahr und hinzunehmen, da sie auch zu keiner schwerwiegenden Stigmatisierung führe. Selbst wenn man darin eine Meinungsäußerung sehen wollen würde, sei diese entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht unzulässig, 
denn es habe Umstände zugunsten der Verfügungsklägerin fehlerhaft 
angenommen und solche zugunsten der Verfügungsbeklagten hingegen außer Acht gelassen. Insbesondere gehe der Vorwurf einer bewussten 
Aberkennung der geschlechtlichen Identität der Verfügungsklägerin fehl. Es fehle bereits an ausreichenden Hinweisen für eine entsprechende 
Intention der Verfügungsbeklagten. Es fehle insgesamt ein einer 
hinreichenden Grundlage für eine bewusste Verwendung des Begriffs zur 
Herabwürdigung durch die Verfügungsbeklagten. Auch sei die Intensität 
des Eingriffs für die Verfügungsklägerin nur als gering zu betrachten, weil die Verfügungsklägerin offen mit ihrer Lebensgeschichte auch im
Hinblick auf ihr Geschlecht umgegangen sei. Die 
personenstandsrechtliche Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 
sei im Äußerungsrecht entgegen dem Landgericht nicht anzuwenden. Zudem habe das Landgericht zugunsten der Verfügungsbeklagten nicht 
hinreichend gewichtet, dass die Äußerung auf einer wahren 
Tatsachengrundlage beruhe, die Pressefreiheit betroffen sei und das 
Recht zum Gegenschlag für die Verfügungsbeklagten bestanden habe. 
Schließlich sei die Abwägung insgesamt fehlerhaft vorgenommen worden,
insbesondere im Hinblick auf die Entscheidung des Landgerichts vom 
22.06.2023 in dem Verfahren zu Az. 2-03 O 228/23 in einem 
vergleichbaren Sachverhalt.
Die Verfügungsklägerin verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt Zurückweisung der Berufung.

II.
Die zulässige Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das Urteil der 
3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 06.07.2023 ist 
gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen. 
Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die 
angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung 
i.S. des § 546 ZPO zulasten der Verfügungsbeklagten noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere 
Entscheidung.
Hierauf hat der Senat mit Hinweisbeschluss vom 21.12.2023 hingewiesen. Auf dessen Inhalt wird Bezug genommen. Soweit die Verfügungsbeklagten 
auf den Hinweis Stellung genommen haben, vermag auch das weitere 
Vorbringen keine abweichende Entscheidung des Senats zu
begründen.

Im Einzelnen:

1. Auch im Lichte des weiteren Vortrags der Berufung stellt die 
Bezeichnung der Verfügungsklägerin als „Mann“ sowohl unter 
Berücksichtigung des Satzes, in dem die Äußerung von der Autorin 
erfolgt, als unter Beachtung des Gesamtkontexts des Beitrags eine
Meinungsäußerung der Autorin dar, durch die Klägerin herabgesetzt wird.
Für die vom Senat vorgenommene Sinndeutung und die Abgrenzung der 
Äußerungstypen kommt es entgegen der Berufung weder darauf an, wie der Äußernde seine Aussage gemeint hat oder verstanden wissen wollte, noch darauf, wie der von der Äußerung Betroffene diese subjektiv aufgefasst hat. Abzustellen ist allein auf den Verständnishorizont des
unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittspublikums der 
jeweiligen Publikation, und zwar unter Berücksichtigung des allgemeinen Sprachgebrauchs und Kontextes, der „Eigengesetzlichkeiten“ des 
jeweiligen Übertragungsmediums sowie der erkennbaren Begleitumstände
der jeweiligen Äußerung (vgl. Korte, Praxis des Presserechts, 2. Aufl. § 2 Rn 162 m.w.N.; BGH Urteil vom 10.04.2018, VI ZR 396/16, BeckRS 2018, 5861 „Bio-Hühnerställe“; BVerfG Beschluss vom 06.02.2010, 1 BvR 371/04, NJW 2010, 2103 „Ausländer-RückFührung“).
Gemessen daran, ist entgegen der Berufung die streitige Motivation der Autorin hinsichtlich der Verwendung der Bezeichnung als „Mann“ 
unmaßgeblich. Allein maßgeblich ist, wie der Leser diese Bezeichnung im Kontext versteht. Wie bereits im Beschluss vom 21.12.2023 dargelegt,
erhält unter Berücksichtigung der Struktur des Satzes und der dort 
verwendeten stilistischen Mittel, in dem die Bezeichnung „Mann“ 
verwendet wird, für den Leser diese Bezeichnung eine herabwürdigende 
Bedeutung. Dies wird insbesondere für den Leser bewirkt durch die im 
Verlauf des Beitrags erfolgte gewisse rhetorische Steigerung der von 
der Autorin für die Klägerin verwendeten Bezeichnungen, die in dem 
Schlusssatz in der Formulierung „Mann“ gipfelt. Durch
die überdies in dem Satz erfolgte Gegenüberstellung der jungen 
Doktorandin, die nach Auffassung der Autorin das Opfer ist, und dem 
über 60-jährigen „Mann“, der nach der Auffassung der Autorin die ihm 
von der Stiftung gewährte finanzielle Unterstützung nicht verdient 
hatte, und in den unmittelbaren inhaltlichen Zusammenhang mit einer 
Beteiligung am „Frauenhass“ gerückt wird, wird eine deutlich 
herabsetzende Bedeutung dieses Begriffes im konkreten Zusammenhang für den unvoreingenommenen Leser vermittelt.
Ein bewusster Einsatz der Bezeichnung „Mann“ für die Verfügungsklägerin durch die Autorin darf überdies unabhängig von den obigen 
Auslegungserwägungen unterstellt werden, da eine versehentliche 
Verwendung aufgrund des Umstandes, dass der Autorin die 
Lebensgeschichte und das biologische Geschlecht der Klägerin 
ausweislich des Beitrags bekannt war, ausgeschlossen werden kann.

2. Auch unter Berücksichtigung der weiteren Ausführungen der Berufung 
hält der Senat an seiner Auffassung fest, dass es sich bei der 
streitgegenständlichen Äußerung um eine Meinungsäußerung handelt. Für 
den verständigen Leser stellt der Satz, in dem die beanstandete 
Bezeichnung der Verfügungsklägerin als „Mann“ erfolgt, eine 
einheitliche wertende Zusammenfassung der in dem Beitrag ausgedrückten Kritik der Autorin an den Ereignissen um die Anfeindungen, denen sich 
die Biologin Vollbrecht ausgesetzt sehe, der damit verbundenen 
rechtlichen Auseinandersetzung und dem Umstand der Kostenübernahme
der Verteidigungskosten der Verfügungsklägerin durch die Stiftung, dar. Nach dem zugrunde zu legenden Leserverständnis ist die von der Berufung vorgenommene Trennung des Satzes in eine zusammenfassende Kritik zum 
Vorgehen der Stiftung und eine Tatsachenbehauptung über das biologische Geschlecht der Verfügungsklägerin nicht ersichtlich. Die Bezeichnung 
der Verfügungsklägerin als „Mann“ ist in den Satz sowohl 
grammatikalisch als auch im Sinngehalt vollständig eingebettet und für den Leser nicht als eigenständige Äußerung zum Geschlecht der Klägerin erkennbar. Zwar ist der Berufung zuzugeben, dass die Formulierung 
dieses Satzes an den Einleitungssatz angelehnt ist mit dem Unterschied, dass in der Einleitung die Verfügungsklägerin als „Transfrau“ und im 
Schluss als „Mann“ bezeichnet wird. Das durchaus in Artikeln übliche 
Aufgreifen des Eingangs im Schlussteil ändert jedoch nichts daran, dass der Satz an sich vom Leser als eine einheitliche Äußerung verstanden 
wird. Auch im Einleitungssatz wird die Bezeichnung als „Transfrau“ 
nicht als eigenständige Tatsachenbehauptung über die Verfügungsklägerin verstanden, sondern vielmehr als eine begriffliche Umschreibung der
Verfügungsklägerin, ohne ihren Namen nennen zu müssen, gleich der dort ebenfalls verwendeten anonymisierten Umschreibung der Biologin 
Vollbrecht als „eine junge Doktorandin“, um die es als Protogonisten in den von der Autorin im Beitrag kritisierten Ereignissen geht.

3. Diese Meinungsäußerung ist entgegen der Auffassung der Berufung auch unzulässig. Zwar ist der Berufung zuzugeben, dass grundsätzlich auch 
scharfe und abwertende Äußerungen von der Meinungsfreiheit geschützt 
sein können, selbst wenn der Betroffene sie als ehrschmälernd
empfindet. Allerdings ist im Rahmen der bei ehrverletzenden Äußerungen vorzunehmenden Gesamtabwägung der widerstreitenden Interessen 
vorliegend zu berücksichtigen, dass es sich bei der Bezeichnung der 
Klägerin als „Mann“ um einen Eingriff in einen zentralen Bereich des
allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin handelt, was zu ihren 
Gunsten besonders zu gewichten ist. Denn mit dieser Bezeichnung wird 
ihr ihre seit Jahrzehnten nach außen gelebte geschlechtliche Identität abgesprochen, was von ihr nicht hinzunehmen ist.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 48 Abs. 2, 47 Abs. 1 GKG.

Dr. Bub Kamprath Dr. Thoma

Beglaubigt
Frankfurt am Main, 20.02.2024
[geschwärzt], Justizfachangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle